Der Rahmen






Das wichtigste Bauteil des Fahrwerk ist der Rahmen. Er soll eine möglichst direkte sowie biege- und verdrehsteife Verbindung zwischen der Vorder- und Hinterradaufhängung herstellen. Die Vorderradaufhängung übernimmt bei den meisten Motorrädern eine Telegabel, die über Kugel- oder Kegelrollenlager drehbar im Steuerkopf gelagert ist. Die Hinterradaufhängung, heutzutage meist eine Schwinge, dreht sich in Gleit- oder Wälzlagern in der Schwingenlagerung.

Der Rahmen führt in verschiedenen Konfigurationen vom Steuerkopf zur Schwingenlagerung. Neben dem Motor und dem jeweiligen System der Kraftübertragung (Primärantrieb, Kupplung und Getriebe sowie Sekundärantrieb mittels Kette, Zahnriemen oder Kardan) muss der Rahmen auch noch sämtliche Anbauteile wie Tank und Sitzbank aufnehmen. Dabei stehen die Entwickler oft vor Problemen: Einerseits soll der Rahmen möglichst gut aussehen, andererseits wenig wiegen, hohe Dauerfestigkeit bieten und zudem guten Zugang zu Motor und Kraftübertragung ermöglichen, damit die Wartung möglichst einfach ist. Meist lassen sich all diese Ansprüche nicht unter einen Hut bringen.

Die einfachste Bauart ist der Rohrrahmen, der den Motor als tragendes Teil integriert. Vom Steuerkopf verläuft je ein Rohr zur Schwingenlagerung und zum Motor. Unter dem Motor ist der Rahmen offen, denn dieser übernimmt dort die tragende Funktion. Der Rohrrahmen findet sich oft bei kleinen Motorrädern bis 125 cm3 und einfachen Enduros.  Bei Enduros greifen die Hersteller vielfach auf preiswerte Einschleifenrahmen aus Stahlrohr zurück. Ein Oberzug führt vom Steuerkopf zur Schweißkonstruktion der Schwingenlagerung. Von dort läuft der Unterzug, in manchen Fällen gegabelt, unter dem Motor zum Steuerkopf zurück.

Viele unverkleidete Motorräder haben einen aufwendigeren Doppelschleifenrahmen. Dabei führen zwei Rohre vom Steuerkopf über dem Motor zur Schwingenlagerung und von dort unter dem Motor wieder zurück zum Steuerkopf. Der Doppelschleifenrahmen besteht meistens aus runden oder rechteckigen Stahlrohren.

Sportmotorräder haben meist Brückenrahmen aus Aluminiumprofilen oder verschweißten, tief gezogenen Blechen. Üblicherweise führen zwei voluminöse Profile auf direktem Weg vom Steuerkopf seitlich um den Motor zur Schwingenlagerung. Die Bereiche um den Steuerkopf und die Schwingenlagerung sind meist Gusskonstruktionen.

Eine weitere, zum Beispiel von Ducati favorisierte Bauart ist der Gitterrohrrahmen. Zahlreiche geradlinige Stahlrohre sind zu einem Fachwerk aus Dreiecksverbänden verschweißt. Der Gitterrohrrahmen läst in der Regel sehr leichte und steife Chassis zu und braucht vergleichsweise wenig Platz.

Triumph wählte bei seinem Comeback den Zentralrohrrahmen, den der Motorrad-Veredler Fritz Egli aus der Schweiz in den siebziger Jahren bekannt machte. In ein großes, über dem Motor platziertes Rohr wurde bei der Egli-Konstruktion der Steuerkopf eingeschweißt; Ausleger aus Rohren nahmen die Schwingenlagerung und das Triebwerk auf. Beim Zentralrohrrahmen von Triumph, den der englische Hersteller bei einigen Modellen noch verwendet, führt das zentrale, hinter dem Motor gebogene Oberrohr direkt vom Steuerkopf zur Schwingenlagerung.

Mit der Einführung des Vierventilboxers setzte BMW auf ein ungewöhnliches Fahrwerkskonzept. Motor und Getriebe dienen dabei als tragender Motor-Getriebeverbund. Der Dreieckslenker der Telelever-Vorderradaufhängung ist im Motor gelagert., die Paralever-Schwinge im Getriebe. Hilfsrahmen aus Rohren stützen die obere Lagerung des Telelever und das Rahmenheck mit der oberen Federbeinanlenkung ab. Bei dieser Konstruktion müssen Motor und Getriebe nahezu alle in das Fahrwerk eingeleiteten Kräfte aufnehmen, dafür entfällt aber ein Hauptrahmen.

Außergewöhnlich und derzeit nur bei Kawasaki ZX-12R verwendet ist das Monocoque. Bei dem von Formel-Rennwagen abgeleiteten Chassis bilden tief gezogene, miteinander verschweißte Aluminiumbleche einen Hohlkörper, der sich über den Motor hinweg vom Steuerkopf zur Schwingenlagerung wölbt. Er dient zusätzlich als Luftfilterkasten und integriert Komponenten wie die Batterie. Der Vorteil: Das Moncoque spart zum Beispiel bei quer eingebauten Reihenvierzylindern Baubreite.

Welches Rahmenkonzept die besten Ergebnisse in puncto Steifigkeit und Gewicht liefert, darüber gehen die Meinungen auseinander. Tatsache ist jedoch, dass alle Motorräder ein sehr ähnliches Fahrverhalten haben, egal, wie ihr Rahmen konstruiert ist. Selbst die Diskussion um den Werkstoff geht dahezu unentschieden aus. Zwar wiegen die üblichen Aluminiumlegierungen nur ein Drittel von Stahl, weisen andererseits aber auch nur ein Drittel von dessen Zugfestigkeit auf. Soll er so steif sein wie ein Stahlrahmen, benötigt der Alurahmen bei gleichem Gewicht aber erheblich dickere Wandstärken und größere Querschnitte der tragenden Profile und somit mehr Bauraum. Dienst der Motor als tragendes Element, darf der Rahmen bei starrer Lagerung weniger steif und damit leichter sein. Allerdings überträgt das Aggregat dann meist in bestimmten Drehzahlbereichen mehr oder weniger starke Vibrationen auf die Lenkerenden, die Fußrasten, den Tank und die Sitzbank. Eine elastische Lagerung mittels Gummielementen zwischen Motor und Fahrwerk verhindert die Übertragung der Vibrationen. Dafür gibt es dann aber Drehzahlbereiche mit ausgeprägten Resonanzfrequenzen und Fahrzustände, in denen Eigenbewegungen des Motors im Chassis zu spüren sind. Zudem muss der Rahmen bei elastischer Lagerung des Motors deutlich steifer und damit schwerer sein, um die gleiche Fahrstabilität zu erreichen wie ein Rahmen mit starr gelagertem Motor.

Quelle: Perfekt fahren mit Motorrad - Motorbuchverlag (Dokument in PDF)