Die Hinterradaufhängung






Die Hinterradaufhängung ist deutlich einfacher aufgebaut als ihr vorderes Pendant - schließlich muss das Hinterrad ja nicht lenken. Zudem sind Radführung, Federung und Dämpfung hinten voneinander getrennt, während die Telegabel alle Funktionen übernimmt. Standard ist bei der Hinterradaufhängung die Zweiarmschwinge, Einarmschwingen sind eher die Ausnahme. Bei Motorrädern mit Kardanantrieb gibt es spezielle Konstruktionen wie das Paralever von BMW, eine zweigelenkige Schwinge mit Momentausgleich, die unerwünschte Fahrwerksreaktionen beim starken Beschleunigen eliminieren soll.
Bei der Zweiarmschwinge führt zu beiden Seiten des Rades ein Schwingenarm aus Rund- oder Rechteckrohren oder aus Strangpressprofilen von der Schwingenlagerung zur Hinterachse. Die Schwinge besteht aus Stahl oder Aluminiumlegierungen, Schweißkonstruktionen oder Gussteile verstärken die beiden Arme. Schwingen sind heute erheblich massiver als noch vor 20 Jahren. Das liegt zum einen an den deutlich stärkeren Motorradmotoren, zum anderen an den höheren übertragbaren Kräften moderner Reifen und schließlich auch an den Federungssystemen. Denn bei vielen aktuellen Motorrädern greifen nicht mehr zwei Federbeine in der Nähe der Radachse an, sondern ein Zentralfederbein direkt oder über Hebelumlenkungen im Bereich der Schwingenlagerung. Durch all diese Faktoren wirken weit höhere Kräfte und Biegemomente auf die Schwinge als noch vor zwanzig Jahren.

Bei der Einarmschwinge führt nur auf einer Seite des Rads ein Schwingenarm von der Schwingenlagerung zur Radachse. Die meisten Einarmschwingen bestehen aus Aluguss; auf ihren Schwingenarm wirkt im Gegensatz zur Zweiarmschwinge bereits bei Geradeausfahrt ein Torsionsmoment. Deswegen müssen sie steifer sein, was sich meist in einem höheren Gewicht niederschlägt. Vorteile bringt die Einarmschwinge beim Ausbau des Rads, das oft von einer zentralen Radmutter gehalten wird und sich schnell und problemlos nach einer Seite abnehmen lässt.

Bei Motorrädern mit Kardanantrieb wirkt sich das Antriebsmoment am Hinterrad stark auf das Fahrverhalten aus. Es stützt sich über das Kardangehäuse an der Schwinge ab und verursacht damit ein Drehmoment um die Radachse, das so genannte Reaktionsdrehmoment. Dadurch hebt sich das Motorrad beim Beschleunigen aus den Federn, und zwar umso stärker, je höher das Antriebsmoment am Hinterrad ist. Deswegen sind die Kardanreaktionen in den unteren Gängen stärker als in den oberen. Einige Hersteller versuchen diese Eigenart durch längere Schwingen zumindest einzuschränken. BMW und Moto Guzzi bekämpfen den lästigen Fahrstuhleffekt mit zusätzlichen technischen Aufwand: Die Kardangehäuse sind gegenüber dem Schwingenarm zusätzlich gelenkig gelagert und stützen sich über eine separate Strebe am Rahmen ab. Abhängig von der Geometrie des dadurch entstehenden Parallelogramms lässt sich mit der Zweigelenk-Einarmschwinge der BMW und der Zweigelenk-Zweiarmschwinge der Guzzi ein Aufstellen unter Last nahezu vollständig verhindern.

Auch bei Sekundärantrieben wie Kette oder Zahnriemen wirken unter Last Reaktionskräfte auf die Hinterradaufhängung. Je nach Position der Schwinge und der Lage von Ritzel und Schwingenlagerung lassen sie das Motorrad ein- oder ausfedern. Sie machen sich aber deutlich weniger bemerkbar als beim Kardanantrieb.

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