Die Federung






Die Federung hat die Aufgabe, Schlä­ge und Bodenwellen der Fahrbahn von den gefederten Massen des Motorrads und natürlich auch vom Fahrer fernzuhalten. Zu den gefeder­ten Massen gehören zum Beispiel der Rahmen und alle starr mit ihm verbundenen Teile, außerdem alle Teile, die mit den Standrohren der Telegabel verknüpft sind, also etwa Scheinwerfer, Lenker und Armatu­ren. Zu den ungefederten Massen am Motorrad zählen dagegen alle Teile, die sich mit den Rädern be­wegen, also zum Beispiel Brems­scheiben und -sättel sowie die Gleit­rohre der Telegabel.Grundsätzlich arbeiten die vorde­ren und hinteren Federelemente ak­tueller Motorräder mit Schraubenfedern. Deren Federdraht, der in der Regel einen runden Querschnitt auf­weist, ist analog dem Gewinde einer Schraube aufgewickelt. Bei der Tele­gabel befinden sich die Schrauben­federn innerhalb der Standrohre. An Federbeinen liegen sie außerhalb der Stoßdämpfer. Der entscheidende Kennwert ei­ner Feder ist die Federrate. Sie gibt an, welche Kraft nötig ist, um eine Fe­der um einen bestimmten Betrag zu­sammenzudrücken. Wenn zum Bei­ spiel ein Gewicht von zehn Kilo­gramm eine Feder um einen Zenti­meter zusammendrückt, hat die Fe­der eine Federrate von ungefähr 100 Newton/ Zentimeter. Die Federrate einer Feder hängt von drei entschei­denden geometrischen Größen ab, nämlich ihrem Drahtdurchmesser, dem Windungsdurchmesser und der Anzahl der federnden Windungen. Der Verlauf der Federrate über den gesamten Federweg ergibt die Federkennlinie. Sie kann bei Fahrwerksfedern sowohl linear als auch progressiv sein. Bei linearer Feder­kennlinie steigt die Kraft proportional mit dem Federweg an, bei progressi­ver Federkennlinie nimmt sie über­proportional zu. Während die Federra­te bei einer linearen Feder also über den gesamten Federweg konstant bleibt, steigt sie bei einer progressi­ven Feder mit zunehmender Einfede­rung. Bei vielen Motorrädern kommen in der Gabel und am Federbein lineare Federn zum Einsatz, rein äußer­lich schon an ihrem gleichmäßigen Windungsabstand zu erkennen. Da sie über den gesamten Federweg eine konstante Federrate aufweisen, stellen sie bei richtiger Auslegung ei­nen guten Komfort sicher. Allerdings geht bei voller Zuladung mit zwei Personen und Gepäck oder bei starken Bodenwellen schnell der gesamte Federweg verloren. Die Federelemente neigen dann zum Durchschlagen. Vorteile bringen dann progressive Federn mit ihrem unterschiedlichen Windungsabstand. Während an ei­nem Ende der Abstand über einen weiten Bereich gleich ist, nimmt er am anderen Ende deutlich sichtbar ab. Bei Beladung oder bei starken Bodenwellen legen sich die engen Windungen aneinander an, sie gehen auf Block. Die Anzahl der federnden Windungen nimmt ab, die Federrate steigt. Damit schlägt die Federung nicht mehr so schnell durch. Der gleiche Effekt lässt sich mit Systemen erreichen, bei denen das Federbein zwar mit einer linearen Fe­der arbeitet, eine Hebelumlenkung zwischen Federbein und Schwinge über eine entsprechende Änderung der Geometrie aber ebenfalls eine progressive Federkennlinie ermög­licht. Anfang der achtziger Jahre prä­sentierten Honda, Yamaha, Suzuki und Kawasaki solche Systeme als große technische Innovation. Heut­zutage arbeitet die Mehrzahl der Her­steller mit derartigen Hebelumlen­kungen. Bei gleichmäßiger Zunahme des Federwegs an der Radachse er­höht sich der Einfederweg am Feder­bein überproportional. Somit lässt sich mit einer entsprechenden Geo­metrie nahezu jede gewünschte Kennlinie erreichen. Bei der Telegabel kann man eine Progression auch durch eine Ände­rung des Luftpolsters erreichen. Über dem ÖI, das in der Telegabel für die Schmierung der aufeinander glei­tenden Teile sowie für die Dämpfung sorgen soll, befindet sich Luft. Beim Einfedern komprimiert der steigende Ölstand die Luft, die Federrate steigt spürbar an. Bei einem geringeren Luftpolster steigt die Federrate deutlich progressiver an. Wenn die Gabel zum Durchschlagen neigt, schafft mehr Gabelöl also eine gewisse Ab­hilfe. Allerdings muss gewährleistet sein, dass bei voller Einfederung im­mer noch ein ausreichendes Luft­polster vorhanden ist, die Gabel also nicht hydraulisch auf Block geht. Die ideale Lösung für die vielfältigen Einsatzbedingungen wären mehrere Federn mit unterschied­licher Federrate. Im Solobetrieb könnte der Fahrer eine weiche, im Soziusbetrieb eine harte Feder wäh­len. Diese Möglichkeit bieten jedoch nur ganz wenige Hersteller, wie zum ­Beispiel Yamaha bei der TDM 850 oder FJR 1300. Dabei ist die technische Realisierung relativ einfach. Zur ­normalen Feder lässt sich über eine Mechanik eine weitere zuschalten, die sonst blockiert ist. Wenn beide hintereinander geschaltete Federn arbeiten, nimmt die Federrate ab, die ­Federung wird weicher und umgekehrt. ­Wenn solche Möglichkeiten fehlen, lässt sich die Federung über die Verstellung der Federbasis an die ­Beladung anpassen. Die Feder selbst stützt sich über die beiden Fe­derbasen oben und unten am Federbein ab; eine Federbasis lässt sich an jedem Motorrad verstellen. Entweder verdreht man dabei mit einem Spezialschlüssel aus dem Bordwerkzeug eine Rampe über mehrere Stufen oder es funktioniert mit einem Hakenschlüssel mittels Nutmuttern stufenlos. Am komfortabelsten ist die hydraulische Verstellung per Handrad von außen, die es bei einigen Motorrädern gibt. An der Gabel lässt sich die Federbasis oft über einen Mechanismus in den Gabelstopfen justieren. Diese auch als Änderung der Federvorspannung propagierte Verstellung ändert allerdings nicht, wie oft angenommen die Federrate, also die Härte der Feder, sondern nur den Positiv- oder Negativfederweg, also den Ein- oder Ausfederweg. Wenn sich zusätzlich zum Fahrer ein Sozius aufs Motorrad setzt, sinkt das Heck weiter ein, der Einfederweg nimmt ab und das Motorrad schlägt auf Bo­denwellen schneller durch. Dann lässt sich durch Verstellen der Feder­basis der ursprüngliche Federweg wie im Solobetrieb wieder herstel­len. Als Faustregel gilt dabei, dass das Verhältnis von Positiv- zu Nega­tivfederweg rund zwei zu einem Drit­tel betragen sollte. Hat das Motorrad also hinten einen Federweg von 120 Millimetern, dann sollte es im stati­schen Zustand zirka 40 Millimeter einfedern - ob solo oder vollbeladen mit Sozius. Zum Einstellen am bes­ten auf Höhe der Radachse einen Bezugspunkt am Motorrad suchen und mit einem Meterstab den Einfe­derweg nachmessen.