Mit Schwung aus der Geraden in die unübersichtliche Linkskurve. Ich fahre noch ganz korrekt rechts neben der Mittellinie, aber meine Maschine neigt sich immer schräger und schräger über diese Linie: Plötzlich kommt mir da ein LKW entgegen! Maschine blitzschnell aufgerichtet und Abflug – kerzengerade aus der Kurve in die Botanik.“
Es ist immer derselbe Unfallhergang, den Gerald Höher, in der Abteilung sieben des Landes unter anderem für Motorradsicherheit zuständig, schildert: Die Ritter der Landstraße lassen sich von Bodenmarkierungen zu einer falschen, extrem gefährlichen Fahrlinie verleiten. Die Folgen sind fatal. 2014 gab es österreichweit 75 Tote (Kärnten: 8 Tote) nach Motorradunfällen zu beklagen. Oft ist die falsche Fahrlinie die Ursache, weiß Höher, der sich seit 2007 intensiv mit dem Thema beschäftigt.
Soboth
Begonnen hat alles mit einem Hilferuf von Josef Ruthardt, Bürgermeister und Leiter der Straßenmeisterei von Lavamünd und damit zuständig für einen der brutalsten Unfall-Hotspots für Motorradfahrer in Österreich, die B 69 über die Soboth von Kärnten in die Steiermark. Das Internet ist voll von Videos etlicher Unverbesserlicher, die diese Straße mit einer Rennstrecke verwechseln.
Die Geschwindigkeit allein ist es nicht, wie Gerald Höher herausgefunden hat. Bei Auswertung der unfallträchtigsten Stellen fiel ihm auf, dass es oft die unübersichtlichen Linkskurven waren, in denen die Fahrer zu weit über die Mittellinie ragten, bei Gegenverkehr ihre Fahrlinie korrigieren mussten und es nicht mehr schafften, auf der Straße zu bleiben. Wären sie bei derselben Geschwindigkeit weiter rechts gefahren, nichts wäre passiert.
So begann man, in genau diesen Linkskurven mit speziellen Bodenmarkierungen die Fahrlinie der Motorradfahrer von der Mitte wegzudrängen. Mit sich zum Scheitelpunkt verlängernden Quer-Strichen klappte es am besten. Die Zweiradfahrer folgten der neuen Fahrlinie, und siehe da: Die Unfallzahlen nahmen ab. Zunächst wurden die Streifen noch aufgeklebt, inzwischen werden sie auch schon aufgesprüht. Höher ist in ganz Österreich unterwegs, um das Kärntner Modell auch anderen Regionen schmackhaft zu machen.
Bürokratische Klippen
Das Kuratorium für Verkehrssicherheit hat Wind von der Sache bekommen und wird das Projekt nun auch in anderen Bundesländern wissenschaftlich begleiten. Noch gilt es etliche bürokratische Klippen zu umschiffen, bis die neuen Markierungen in entsprechenden Verordnungen verankert sind. Aber Gerald Höher ist zuversichtlich: Die verbesserte Unfallbilanz spricht für sich.
In jüngster Zeit hat es Gerald Höher mit einer zweiten Variante versucht. Auf der ebenfalls beliebten Motorradstrecke über den Seeberg-Sattel nach Slowenien wurden teilweise Sperrlinien überhaupt entfernt. Um den Motorradfahrer nicht mehr auf die gefährliche Mittellinie zu „ziehen“. Auch da sind die ersten Erfahrungen durchaus gut. Im Zweifelsfall wird nämlich von 85 Prozent der Motorradfahrer die vorsichtigere Linie gewählt.
Höher ist ein Anhänger der Selbstverantwortung. Noch so viel Unterfahrschutz und Fahrsicherheitstraining kann die persönliche Einschätzung der Verkehrssituation nicht ersetzen, sagt der Motorradfahrer.
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Quelle: http://www.kleine.at

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